Freizeitrecht-Newsletter Nr. 64, 12/2019

Freizeitrecht-Newsletter Nr. 64, 12/2019

Büro für Freizeitrecht
Wolfgang Stock

Newsletter-Inhalt

1.
Aufklärungspflicht bei Bagjump-Anlagen
2. Alpine Rechtsgespräche 2019 in Bayern
3. Neues Buch über das Pistentourengehen
4. OGH hebt Klausel in Unfallversicherungsbedingungen auf

Hier können Sie diesen Newsletter teilen:

1. Aufklärungspflicht bei Bagjump-Anlagen

 

Der OGH hatte sich am 26. März 2019 (10 Ob 15/19g) mit folgendem Fall zu befassen:

 

Die Klägerin, die nach ihrem eigenen Vorbringen im Klettersport aktiv ist und in dieser Sportart auch als Ausbildnerin tätig ist, verletzte sich am 1. 10. 2017 am St. Veiter Wiesenmarkt bei einem Sprung auf die vom Beklagten betriebene „Bagjump-Anlage". Diese Anlage besteht aus einem aufblasbaren Luftkissen von 2,5 x 4 m Größe und einer Hebebühne, von der aus man auf das Luftkissen springen kann. Die Klägerin sprang aus 6 m Höhe mit ausgestreckten Beinen voran und erlitt einen Bruch des rechten Innen- und Außenknöchels sowie einen Bruch des vierten linken Mittelfußknochens. Das Erstgericht wies ihre Schadenersatz- und Feststellungsklage im Wesentlichen mit der Begründung ab, sie sei ausreichend über die einzunehmende Sprunghaltung und die Risiken des Sprungs aufgeklärt worden.

 

Das Erstgericht stellte fest, dass die am Ticketautomat selbst und unmittelbar darüber in Augenhöhe angebrachten Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die „Bagjump-Regeln" den Hinweis enthalten: „Nicht mit gestreckten Beinen voran in den Bag springen". Auch auf dem Luftkissen selbst befindet sich ein Piktogramm, in dem verdeutlicht wird, dass nicht mit gestreckten Beinen und den Füßen voran in das Luftkissen gesprungen werden darf. Das Piktogramm ist sehr gut beleuchtet und auch im Dunkeln weithin sichtbar. Weiters enthalten die AGB den Hinweis darauf, dass es sich bei der Anlage um ein Sportgerät handle und es – ungeachtet der anzuwendenden Sprungtechnik – im Zuge der Ausführung des Sprungs zu Verletzungen auch schwerer Natur kommen könne. Die AGB und die Bagjump-Regeln waren auch in der Wartezone bei der Hebebühne ausgehängt. Die Klägerin beachtete weder die Aushänge noch das Piktogramm. Unmittelbar vor ihrem Absprung wurde sie aber von einem Mitarbeiter des Beklagten in die Sprungtechnik eingewiesen. Dieser erklärte und demonstrierte ihr, sie solle die Arme vor der Brust verschränken und die Beine anheben, um auf dem Gesäß zu landen. Er brachte auch zum Ausdruck, dass bei Einhaltung dieser Sprungtechnik nichts passieren könne. Die Klägerin sprang dennoch ängstlich mit ausgestreckten Beinen voran in das Luftkissen, sodass sie auf den Füßen landete.

 

Fazit aus dieser OGH-Entscheidung: Den Betreiber und Veranstalter einer Risikosportart, der auch das dafür notwendige Sportgerät zur Verfügung stellt, trifft eine entsprechende Sorgfalts- und Aufklärungspflicht über Umstände, die die Sicherheitsrisiken betreffen. Nur so wird der Teilnehmer in die Lage versetzt, diese Sicherheitsrisiken auch ausreichend abzuschätzen, wobei die Schilderung, Aufklärung und Beratung so konkret, umfassend und instruktiv zu erfolgen hat, dass sich der hievon Angesprochene der (möglichen) Gefahren bewusst wird und diese eigenverantwortlich abschätzen kann.

 

Hier die Entscheidung im Volltext:

https://bit.ly/361uKaa

Kommentieren Sie diesen Beitrag:

2. Alpine Rechtsgespräche 2019 in Bayern

 

Das bayerische Kuratorium für alpine Sicherheit hat am 17.10.2019 erstmalig „Alpine Rechtsgespräche" im Bayerischen Justizministerium veranstaltet. Folgende Themenkomplexe wurden besprochen:

Bergrettung heute – Gibt es ein Recht auf Rettung?

Hallenklettern – Eine Breitensportart auf dem Weg in die Haftungsfalle?

Lawinenunfälle – Fremdgefährdung durch riskantes Eigenverhalten?

 

Hier die aus rechtsvergleichender Sicht auch für Österreich interessanten Ergebnisse:

https://bit.ly/2sJWB0n

Kommentieren Sie diesen Beitrag:

3. Neues Buch über das Pistentourengehen

 

Mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und Haftungsfragen beim Pistentourengehen beschäftigt sich Sarah Marion Lanzanasto in ihrem soeben erschienen Buch Pistenskitourengehen, erschienen im Saarbrücker Verlag für Rechtswissenschaften; ISBN: 978-620246314---0; 80 Seiten; 47,20 EUR

 

Durch den starken Trend zu Pistenskitouren und den daraus resultierenden erhöhten Unfallzahlen rückt vor allem die Haftungsfrage bei einem Unfall mit einem Pistenskitourengeher verstärkt in den Vordergrund. Das Buch widmet sich aber auch den rechtlichen Rahmenbedingungen und Regelungsmöglichkeiten rund um das Thema Wegerechte, seien es nun gesetzliche oder zivilrechtliche.

 

Sarah Marion Lanzanasto arbeitete als Projektmanagerin beim Österreichischen Kuratorium für Alpine Sicherheit und schrieb ihr Buch im Zuge des Diplomstudiums Wirtschaftsrecht an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.

 

Bestellung hier:

https://bit.ly/2P9APKV

Kommentieren Sie diesen Beitrag:
4. OGH hebt Klausel in Unfallversicherungsbedingungen auf

 

Am 23.10.2019 (7 Ob 113/19x) hatte sich der OGH mit Unfallversicherungsbedingungen, die den Ausschluss von Herzinfarkt/Schlaganfall als Unfallfolge vorsehen, zu befassen. Sein Urteil kurzgefasst: Der kategorische Ausschluss von Herzinfarkt/Schlaganfall als Unfallfolge verstößt gegen § 879 Abs 3 ABGB.

 

Die Herzinfarkt/Schlaganfall-Klausel gehört als Folgenklausel zu den Unfallfolgen-Ausschlüssen. Folgenklauseln haben im Allgemeinen nur den Zweck, zu verhindern, dass der Versicherer Unfallfolgen tragen soll, die zwar möglicherweise durch den Unfall ausgelöst werden, früher oder später aber ohnehin aufgetreten wären. Der sehr weite Ausschluss, nämlich Herzinfarkt und Schlaganfall kategorisch, selbst bei ausschließlicher Ursächlichkeit des versicherten Unfallereignisses und ohne jede Mitwirkung eines degenerativen Gebrechens undifferenziert nicht unter Versicherungsschutz zu stellen, ist gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB.

 

Zum Volltext im RIS:

https://bit.ly/2sLpEkl
Kommentieren Sie diesen Beitrag:

Mit meinen besten Wünschen für ein erfolgreiches „Freizeit-Jahr" 2020

und mit lieben Grüßen

Wolfgang Stock

Blogger
Email
Website

Dr. Wolfgang Stock, Am Sonnenhang 35, 8072 Fernitz-Mellach


Abmeldung | Abo verwalten

Kommentare