Freizeitrecht-Newsletter Nr. 79, 11/2023

Freizeitrecht-Newsletter Nr. 79, 11/2023

Büro für Freizeitrecht
Wolfgang Stock

Newsletter-Inhalt

 

  1. Hund gegen Radfahrer: OGH sehr eindeutig
  2. Zur Geltung der StVO auf Forststraßen
  3. Niederösterreich: Tourismusverbände dürfen ab 1.1.2024 Freizeitwege finanzieren
  4. Sind Jagdsteige „Jagdeinrichtungen"?
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Hund gegen Radfahrer: OGH sehr eindeutig

 

Im April 2023 hatte der OGH (20.04.2023, 2 Ob 71/23i) folgenden Fall zu entscheiden: In den Vorinstanzen wurde eine Haftung einer Hundehalterin nach § 1320 ABGB bejaht, weil ihre nicht angeleinte und gänzlich unbeaufsichtigt vor ihrem Gehöft herumlaufende Hündin auf die auf dem Güterweg mit ihrem Fahrrad vorbeifahrende Klägerin zulief und sie anbellte, sodass diese aus Angst auswich und (ohne vorangehenden Kontakt mit der Hündin) dabei zu Sturz kam.

 

Fraglich war, ob das  Auslenkmanöver ein Mitverschulden darstellte. Der OGH bestätigte das verneinende Urteil des Oberlandesgerichtes Linz und äußerte sich sehr eindeutig: „ Wird ein Verkehrsteilnehmer bei einer plötzlich auftretenden Gefahr zu schnellem Handeln gezwungen und trifft er unter dem Eindruck dieser Gefahr eine – rückschauend betrachtet – unrichtige Maßnahme, dann kann ihm dies nicht als Mitverschulden angerechnet werden. Eine solche Schreckreaktion ist insbesondere dann entschuldbar, wenn das ihr zugrunde liegende Ereignis plötzlich und völlig überraschend in einer derartig bedrohlichen Nähe eintritt, dass ein überstürztes Handeln erforderlich ist."

 

Hier die Entscheidung im Volltext:

https://tinyurl.com/mv3et6uh

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Zur Geltung der StVO auf Forststraßen

 

Zumindest seit der Waldöffnung für Erholungssuchende am 1.1.1976 besteht ein juristischer Problembereich zwischen Forstrecht und Straßenverkehrsrecht: Gemäß ständiger Judikatur des VwGH gilt die StVO auf Forststraßen, weil es sich um „Straßen mit öffentlichem (Fußgänger-)Verkehr" handelt. Aber passen wirklich alle StVO-Normen für den Verkehr auf Forststraßen? Oder muss man an andere Lösungen (z.B. materielle Derogation) denken?

 

Nun hat der Jurist Mag. Dr. Thomas Koller als Bachelorarbeit im Rahmen seines Studiums der Forstwirtschaft an der Universität für Bodenkultur im Mai 2023 eine Expertise zu diesem Thema erstellt. Betreut wurde die Arbeit von Univ.-Prof. Mag. Dr. Daniel Ennöckl, LL.M. vom BOKU-Institut für Rechtswissenschaften. Aus freizeitrechtlicher Sicht ist bloß anzumerken, dass den Interessen der Forstwirtschaft mehr Augenmerk geschenkt wurde als denen der Erholungssuchenden. Dennoch ist die Arbeit sehr lesenswert.

 

Hier die gesamte Arbeit:

https://www.kfv.at/stvo-forststrassen/ 

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Niederösterreich: Tourismusverbände dürfen ab 1.1.2024 Freizeitwege finanzieren

 

Das ab 1. Jänner 2024 in Kraft tretende neue niederösterreichische Tourismusgesetz 2023, das das alte Tourismusgesetz 2010 ablöst, normiert in § 8 Abs 1, dass Tourismusverbände alle Erträge aus der Nächtigungstaxe für touristische Zwecke verwenden müssen.

 

§ 8 Abs 2 Z 3 nennt als touristischen Zweck auch die Übernahme der Kosten für die Errichtung und den Erhalt von Freizeitwegen (z. B. Mountainbike-Strecken, Rad-, Wander- und Themenwege), sowie Datenerfassung und -wartung im Hinblick auf die Freizeitwegeinfrastruktur („Digitales touristisches Wegemanagement").

 

Hier der gesamte neue § 8:

https://tinyurl.com/54vsbhs9

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Sind Jagdsteige „Jagdeinrichtungen"?

 

In Oberösterreich ist derzeit eine umfassende Novellierung des OÖ Jagdgesetzes („Oö. Jagdgesetz 2024") in Arbeit. Im künftigen § 50 Abs 1 werden Jagdsteige als Jagdeinrichtungen bezeichnet und wird deren Benützung künftig gemäß § 50 Abs 6 für jagdfremde Personen verboten sein.

 

Soweit es sich dabei um – in Oberösterreich wohl sehr häufig – Steige im Wald handelt, bahnt sich hier eine ziemlich eindeutige Verfassungswidrigkeit an. Es dürfte sich wohl um eine Verletzung der verfassungsrechtlichen Rücksichtnahmepflicht durch eine fachlich kaum begründbare Bevorzugung (jagdlicher) Interessen des Landes gegenüber (forstlichen) Interessen des Bundes (Stichwort: Erholungswirkung des Waldes) handeln. Denn das forstrechtliche Betretungs- und Aufenthaltsrecht gemäß § 33 Forstgesetz bezieht sich eindeutig auf den gesamten Wald, somit auch auf im Wald befindliche (unmarkierte) Wege und Steige aller Art.

 

Schon einmal hatte der Verfassungsgerichtshof eine landesjagdrechtliche Bestimmung (damals in Niederösterreich) wegen Verletzung dieses Grundsatzes aufgehoben. Und er sah eine Verletzung der verfassungsrechtlichen Rücksichtnahmepflicht durch „ die exzessive Bevorrangung von jagdwirtschaftlichen und wildbiologischen Interessen durch den Landesgesetzgeber gegenüber den vom Bundesgesetzgeber wahrgenommenen Interessen der Erholungsfunktion des Waldes."

 

Hier der Rechtssatz dieser verfassungsgerichtlichen Leit-Entscheidung:

https://tinyurl.com/22vmp5kc 

 

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Mit spätherbstlichen Grüßen
Wolfgang Stock
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Dr. Wolfgang Stock, Am Sonnenhang 35, 8072 Fernitz-Mellach


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